Von Berlin nach Thüringen

Etwa einmal im Jahr habe ich die Schnapsidee, eine längere Tagestour zu machen – wenn nicht gerade Corona ist. Länger, das ist in meinem Fall alles über 200km. Dieses Jahr sollte es nach Thüringen gehen. Der Rest der Familie wollte eh dahin – da kann ich auch mal das Rennrad nehmen. Eigentlich sollte es nach Pfingsten geschehen –

wir haben aber übersehen, dass es bei uns keine Pfingstferien gibt und mit der Urlaubsplanung klappte es auch nicht so ganz. Also nahm ich mir die Tour für die letzte Woche des Sommerurlaubs vor.

Vorbereitung

Keine… Ich bin in letzter Zeit eh kaum Rad gefahren. Zudem kamen wir garade von 10 Tagen Strandurlaub im Süden Europas zurück. Ich habe nur komoot angeworfen und ohne Zwischenziele eine Tour von Berlin nach Artern planen lassen. Ausgeworfen wurde mir eine Strecke von 252 km mit 1210 hm, ein angebliches Durchschnittstempo von 19,9 km/h und eine Reisezeit von 12 Std 40 min. Als Fitness-Level habe ich bei mir mal optimistisch “durchschnittlich” eingetragen. Gepäck wollte ich keines mitnehmen, was nicht unbedingt nötig war. Die Frage ist nur immer: was ist unbedingt nötig? Zusätzlich zu meiner Satteltasche hatte ich wieder meine Oberrohrtasche (Hausschlüssel, 5x Magnesium, Smartphone, Kettenwachs) und eine Tasche fürs Rahmendreieck am Rad befestigt. Somit waren weiterhin zusätzlich dabei: ein zweiter Ersatzschlauch, eine CO2-Kartuschen-Pumpe, Brieftasche, Akkupack, Ladekabel. In den Trikotaschen fanden Platz: 2 Bananen, 4 x Gel, “Shots” (“Gummibärchen” von Powerbar) und 1 Ersatzmantel.

Am Vorabend der Tour habe ich noch einen Trinkflachenhalter am Sattel montiert und dort 2 500 ml – Trinkflaschen eingesetzt. Mit den 2 knapp 700ml Flaschen am Sattel- bzw Unterrohr hatte ich somit ca 2,4 l Flrüssigkeit dabei.

Abfahrt

Verschlafen… der Wecker war zwar kurz nach 5 Uhr gestellt – aber so, dass er nur Wochentags klingelt. Ich wurde somit zu spät wach – vielleicht auch nicht, ich bin schließlich erst gegen Mitternacht ins Bett und mit noch weniger Schlaf wäre es evtl noch schlimmer geworden. Jedenfalls bin ich erst gegen halb 7 Uhr an einem Sonntag gestartet. Die Temperatur lag nur bei knapp über 10 Grad und mir war recht lang noch ziemlich frisch zumute – gerade im Nackenbereich. Die Route von Komoot führte mich über Mehrow nach Ahrensfelde und von dort weiter Richtung Storkower Strasse. Zum Teil blieb ich auf den Straßen, zum Teil nutzte ich die parallel bzw auf dem Gehweg verlaufenden Radwege. Nicht selten waren die allerdings in eher schlechtem Zustand – das Pflaster hatte sich schon geworfen oder Wurzeln brachen den Asphalt auf. Zum Teil habe ich die Radewege ab er auch zu spät bemerkt und blieb auf der Straße. So früh an einem Sonntagmorgen war kaum Verkehr.

Durch Berlin

Einige Straßen kann ich von Autofahren – an anderen Stellen führte mich komoot direkt durch ruhige Anliegerstraßen wo man mit Auto einen Bogen drumherum fährt. Nach 70 min war ich am Strausberger Platz in Berlin – kurz nachdem das Foto entstand, gingen auch die Fontänen am Brunnen los – da war es 8 Uhr.

von Berlin nach Thüringen – hier mitten in Berlin

Hier war ich viel auf den “Pop-up” bzw neuen Radwegen unterwegs – und das fuhr sich richtig gut – zumindest bei so wenig Verkehr, wie an diesem Morgen. Stellenweise gelangte ich auf den Mauerweg und kam so z.B. am Checkpoint Charlie vorbei – nahezu menschenleer um diese Zeit.

Am Gleisdreieck im Park bin ich kurz von der Route abgekommen – es lief so gut und es war so ein ruhiges Fahren – da hatte ich vergessen auf die Route zu schauen. Das war aber kein Beinbruch, nach ein paar Metern war ich wieder “auf dem Track”. An manchen Kreuzungen sah man jetzt öfter Radfahrer, die sich dort zu ihrer Tour treffen. Ein kurzes Zunicken, ein freundliches Hallo und immer weiter mit der Fahrt. Mein Nacken fühlte sich immer noch zu kalt an, dank der hohen Häuser und/oder der engen Straßen fuhr ich gefühlt die ganze Zeit im Schatten. Nach ca. 60 km, direkt hinter Saarmund, machte ich eine kleine Pause und vertilgte die 1. Banane. Am Hinterrad fiel mir an der Reifenschulter ein kleiner Dorn auf. Ich zog in raus und sofort zischte Luft aus dem Reifen. Schnell drehte ich das Rad und hielt es so schräg, dass es fast waagerecht war. Die Dichtmilch im Reifen dichtete das Loch dann schnell ab, ich mußte nur “ein wenig” nachpumpen. Die restliche Tour – noch 190 km – gab es damit keine Probleme mehr. Ziemlich genau an der Raststelle Michendorf unterquerte ich den Berliner Ring.

In Brandenburg

Weiter ging es in Brandenburg, zumeist auf Radwegen parallel zur Landstraße und immer noch überwiegend im Schatten der Wälder. Kurz darauf ging es rechts ab nach Beelitz. Die beiden Rennradfahrer, die mit mir an der Ampel warteten, waren schnell davon gefahren – ich hatte noch ca 175 km vor mir.

Ab Kreisverkehr/Brücker Straße in Beelitz, kam mir die Gegend wieder vertraut vor – hier fahren wir sonst gelegentlich mit Auto lang, wenn Stau auf der Autobahn ist o.ä.. Diesmal halt auf dem Weg von Berlin nach Thüringen parallel zur Straße auf dem Radweg.

Es ging weiter über Brück und Bad Belzig nach Wiesenburg. Hier gab es doch schon ein paar Steigungen des Fläming zu überwinden, das Thermometer war mittlerweile bei ca 25 Grad, der Gegenwind war etwas nervig. Weiter ging es dann Richtung Zerbst. Immer noch oft Radwege an den Alleen, Radstraßen, viel Wald.

Sachsen-Anhalt

Erst kurz vor Zerbst wurde der Wald weniger, die Route führte immer mehr über freies Feld. In Zerbst war an einer Kreuzung schon die Elbfähre ausgeschildert, die ich nehmen mußte – dann aber sah ich keine diesbezüglichen Wegweiser mehr.

Ich blieb stur auf meiner Route von Berlin nach Thüringen und kam nach Torchheim. Hier war wieder ein altes Schild mit dem Hinweis Elbfähre zu sehen und kurz darauf stand ich an der Elbe. Hier gab es keinen großen Parkplatz, keinen Imbiss (wie ich eigentlich gehofft habe) und auch sonst nichts außer der Fähre und Natur. Recht wenige Menschen waren zu dieser Zeit auf dieser Flussseite, ca 10 setzten dann mit mir über. Offiziell ist es die Fähre Breitenhagen, die kleine Fähre hat Platz für ca 4 Autos und 45 Personen. Sie verfügt über keinen Antrieb, sondern wird lediglich durch die Strömung der Elbe bewegt. Ich hatte Glück, die Fähre stand gerade auf “meiner” Seite der Elbe. Also mit Rad auf die Fähre, 1,5 € bezahlt und kurz darauf begann die nur ca. 5 minütige Überfahrt.

Auf der anderen Seite lag ein Schiff an Land und war zum Restaurant ausgebaut. Hier war es voll und so gern ich eigentlich eine Kleinigkeit essen wollte – mir war es zu voll und so ging es weiter Richtung Bernburg. Eigentlich schon seit Zerbst war ich jetzt meist in praller Sonne unterwegs. Radwege waren kam noch vorhanden, meist musste ich direkt auf der Landstraße fahren – es war aber immer noch wenig Verkehr. Die Temperatur bewegte sich (lt Garmin) jetzt bei knapp unter 30 Grad.

Zwischendurch

Ich weiß nicht mehr wo es über all war – aber ich kam durch etliche Baustellen. Manchmal waren kleine Ortschaften für den Verkehr komplett gesperrt. Mal nur wenige Meter, manchmal auch um die 400 m. Mit Fahrrad habe ich mich da durch geschlichen. Entweder über den Gehweg – sofern dieser noch vorhanden war – oder direkt durch die Baustelle geschoben. Fahren war oft kaum möglich, zu fein und unverdichtet war noch der Untergrund. Einmal hat mich Komoot auch durch eine Einbahnstraße geschickt – verkehrt herum. Das waren aber keine 100 m und die legte ich auf dem Gehweg zurück. Gelegentlich führte die Route von der “Hauptstraße” herunter, um dann doch nur wieder auf dieser zu landen. Eine solche “Abkürzung” wurde meist mit stärkerer Steigung, schlechterem Untergrund und längerer Wartezeit beim Zurückkehren auf die Hauptstraße “erkauft” – letztlich bin ich mit der Routenführung durch Komoot aber mehr als zufrieden (nein, ich bekomme kein Geld für die Erwähnung dieser App/Website!)

Zufrieden bin ich übrigens auch mit meinem neuen Garmin, dass ich mir Anfang des Jahres gegönnt hatte. Ich hatte mir sogar den zusätzlichen Akkupack geleistet. Zumindest auf dieser Tour und bei diesen Temperaturen habe ich den Akkupack aber nicht benötigt. Das Garmin selbst zeigte nach Ende der Tour noch über 70% Akku-Kapazität an! Ein Wahnsinnswert! Der Zusatzakku war zwar angeschlossen – das Laden aber (eigentlich?) ausgeschaltet – es wurde am Garmin auch kein Ladevorgang angezeigt. Einstellungen: Tracking sekündlich, autom. Helligkeit für max 20 s, kein autom. Seitenwechsel, nur 3 Trainingsseiten aktiv, keine Alarmtöne, gekoppelt waren HF-Sensor, Trittfrequenz- und Geschwindigkeitssensor sowie das Smartphone, WLAN aus. Zum ersten Mal habe ich die Abbiegehinweise genutzt bzw. bin die von Komoot geladenen Karte mit Navigation abgefahren – sonst bin ich selbst immer nur dem farbigen Track gefolgt. Was immer noch nicht optimal (für mich als Brillenträger) ist: die Sichtbarkeit der Route. Die zur Auswahl stehenden Farben sind für mich nicht auffällig genug. Zusätzlich zur Farbe müßte es noch ein (wählbares) Muster geben.

Der am Vorabend montierte Flaschenhalter oder besser: Flaschenhalter-Halter erwies sich als etwas nervend. Einmal kippt eine Seite/Flasche etwas ab – kommt vor, nächstes Mal die Schrauben eben fester ziehen. An diesem Halter waren Flaschenhalter montiert, wie ich sie auch am Unter- und Sattelrohr habe, preiswerte Carbon-Halter. Hinten am Sattel rutschten mir doch mehrfach die Flaschen aus den Haltern – meist bei kurzen Stößen, wenn man über den Bordstein fährt zum Beispiel. Hier mußte ich mehrfach die Flaschen wieder einsammeln. Sonst macht der Halter seinen Job – auch wenn er sehr ungenau gefertigt und ziemlich schwer ist.

Weiter durch Sachsen-Anhalt

Es ging nach und durch Bernburg. Der Wind hatte fast aufgehört, die Sonne brannte. Der Verkehr nahm zu. Immer öfter hatte ich jetzt mit aufkommenden Krämpfen zu tun. Gelegentlich stieg ich ab und ging ein paar Meter zu Fuß, nur, um mal eine andere Bewegung zu haben. Mittlerweile hatte ich wohl 3 Mal Magnesium eingenommen, hier rächte sich wohl die Nicht-Vorbereitung.

Ich war fast nur noch auf Hauptstraßen unterwegs. Es war etwas mehr los auf den Straßen, zumindest mußten die Autofahrer, die mich überholen wollten, wegen des Gegenverkehrs oft warten. Schatten gab es hier überhaupt nicht mehr. Die Straßenbäume waren zu klein – oder standen zu weit von der Straße weg. Die Beine waren schon recht schlapp, abwechselnd machten sich die Waden oder Oberschenkel bemerkbar, einen “richtigen” Krampf konnte ich durch Änderung der Belastung oder kurzzeitiges Gehen verhindern. Was mir langsam Sorgen bereitete: 3 Wasserflaschen (ca. 1,7 l ) waren mittlerweile leer. Ein Imbiss oder Wasserhahn ist mir nach Berlin praktisch nicht aufgefallen, die Supermärkte hatten zu.

Normaler Weise komme ich mit recht wenig (zu wenig) Wasser aus – aber ich hatte noch ein paar km vor mir und das Thermometer war seit einiger Zeit bei knapp 30 Grad. Ich hatte schon kurzfristig überlegt, mal bei den Bauern nachzufragen, die mit der Getreideernte beschäftigt waren. Irgendwo kam ich an einem Feld vorbei, wo am Straßenrand gerade Pause gemacht wurde und wohl gerade Getränke und Verpflegung gebracht wurden. Ich beließ es aber bei einem freundlichen Nicken zum Gruß.

Am Ortseingang von Mukrena wies dann ein großes Schild auf eine Pizzeria mit Parkplatz hin – im Ort wäre ich trotzdem fast dran vorbeigefahren. Der kleine Parkplatz war auf dem Hinterhof, dort war auch der Biergarten. Ich bestellte eine Cola MIT Zucker, und ein alkoholfreies Weizen. Das mit der Cola klappte, das Bier war aber ein Pilsner.

Auf meine Frage hin füllte man mir netterweise meine leeren Wasserflaschen. Hier traf ich 3 Jungs, die mit vollgepackten Tourenrädern gerade von Leipzig kamen und nach Amsterdam wollten. Wenn ich mich recht erinnere, wollten sie das in 9 Tagen (oder 7?) schaffen. Wir wünschten uns gegenseitig viel Glück und nach 25 Minuten Pause ging es für mich mit Überquerung der Saale auf die letzten 50 km.

Fast ab Überquerung der Saale gab es dann zunächst wieder “stärker” ansteigendes Höhenprofil der Tour – auch wenn es hier nicht mal auf 200 m hochging. Zwar ging es nach Hettstedt dann etwas bergab – aber jetzt begannen die Ausläufer des Südharzes. Es gab dafür wieder ein paar Radwege parallel zu den Landstraßen, einige führten auch etwas davon weg. Die Route führte jetzt über Mansfeld Richtung Sangershausen. Steigungen von 4-11 % standen hier an, zum Glück mehr im unteren Bereich – trotzdem quälte ich mich hier nur entlang.

Es ging “hoch” bis auf 347 m. Die Abfahren waren dafür um so schöner. Mühelos bzw ohne zusätzlich zu treten kam ich hier bis auf knapp 60 km/h. Allerdings war der gut asphaltierte Radweg irgendwann zu Ende bzw offiziell kein Radweg mehr. So habe ich dann, gerade, wenn es nach einer kleinen Kreuzung aussah, oft gebremst. Nicht, dass da plötzlich ein Trecker vom Feld kommt. Oftmals waren es aber auch keine Kreuzungen, sondern nur breitere Stellen zum Ausweichen.

Kurz vor Sangershausen dann wieder ein bestens asphaltierter Weg, eine kleine Anliegerstraße, Kilometerweit von der nächsten Ortschaft (zumindest an der ich vorbei kam) plötzlich 2 Grundstücke. Dann: ein breiter Bahnübergang, mindestens 2 Gleise verlaufen hier parallel. Die Schranken geschlossen, scheinbar seit Jahren nicht bewegt. Und tatsächlich, die Schilder an Schranke und Andreaskreuz weisen darauf hin, dass es sich um eine “Anrufschranke” handelt und diese ständig geschlossen ist. Man soll aufpassen und sich durch Rufen oder Hupen bemerkbar machen. Mit Auto war hier also kein Durchkommen, das gerade passierte Grundstück somit nur von einer Seite erreichbar. Mit Fahrrad mußte man nur kurz um die Schranke herum. Die Gleise waren in beiden Richtungen recht weit einsehbar. Nach den Gleisen ging es auf gutem Asphalt weiter.

Der höchste Punkt lag seit kurz vor Sangershausen hinter mir. Zwar ging es noch das eine oder andere Mal bergauf, aber oft konnte man das Rad einfach rollen lassen – was ich auch stets ausnutzte. Geschwindigkeitsrekorde stelle ich eh keine auf. Die ruhigen, gut asphaltierten Wege – vor Wege für die Landwirtschaft, keine reinen Radwege – ließen mich hier gut vorankommen. In einiger Entfernung sah man ein paar Ortschaften – aber welche davon Artern war, war für mich nicht erkennbar. So kam ich auf dem Weg von Berlin nach Thüringen kurz vor Artern noch durch Riestedt, Oberröblingen und Eldersleben.

in der Ferne grüßt das Kyffhäuser-Denkmal

Die letzten paar km legte ich auf einer – mittlerweile leeren – Hauptstraße zurück. Familie und Freunde kamen mir schon entgegen – für das obligatorische Zielfoto mußte ich aber noch kurz zum Ortseingangsschild. Da wurde mir erst so richtig klar, dass ich Glück mit meiner Fahrt nach Thüringen hatte: Artern liegt “gerade mal so” in Thüringen, 2km vorher ist noch Sachsen-Anhalt.

Kurz zur Statistik: lt komoot war ich für 254 km 11:58 Std unterwegs und habe 1320 hm zurückgelegt. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 21,2km/h Strava wiederum gibt 254 km an und 1319hm. Dazu eine Bewegungszeit von 12:01 und ein Durchschnittstempo von 21,1 km/h

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